Die Bauindustrie verursacht weltweit 10 % der jährlichen Treibhausgasemissionen, laut einem UNEP Bericht aus dem Jahr 2020. Die Zementproduktion allein verursacht weltweit 8 % der Treibhausgasemissionen. Hinzu kommen Emissionen aus Transport und Verarbeitungsprozessen, die global nicht erfasst sind. 

Ein Anhaltspunkt für graue Emissionen / verbaute / materialgebundene Emissionen (embodied carbon oder embedded carbon) aus dem Hochbau in Deutschland stellt das umbaute Bauvolumen dar. Im Jahr 2019 umfasste das gesamte deutsche Neubauvolumen 364,544,000 m³. 

TOP-DOWN ZIELE FÜR CO2 BUDGETS 

1. Werner Sobek

Anhand des umbauten Raums (BRI) ergibt sich in der Werner Sobek Studie ein Wert von 32,2 kg CO2/m³ BRI als Obergrenze der erlaubten grauen Emissionen für den Neubau. Allerdings ist der Wert mit einigen Annahmen versehen: CO2 Restbudget gemäß dem Sachverständigenrat für Umweltfragen aus dem Jahr 2020, 10 % Anteil der Baubranche an der deutschen CO2 Bilanz, gleichbleibende Neubauaktivität

2. Ramboll

Die Komplexität vermeintlicher Top-Down Embodied Carbon Berechnungen zeigt die Ramboll Studie anhand europäischer Beispiele. Zum einen ist das global verbleibende CO2 Budget variabel und in den ca. 5-jährigen IPCC Berichten bereits veraltet. Zum anderen ist eine genaue Zuordnung der CO2 Emissionen für die Baubranche nicht möglich. Beispiel: Zementproduktion für Straßenbau, oder Hochbau?

BOTTOM-UP STUDIEN über die Gebäudeökobilanzierung

Eine Ökobilanz ist die Zusammenstellung und Beurteilung der Input- und Outputflüsse potenziellen Umweltwirkungen eines Produkts im Verlauf seines Lebensweges. Die normative Grundlage solcher Lebenszyklusanalysen bilden die DIN EN ISO 14040 und die DIN EN ISO 14044.

In Ökobilanzen nach der neuen EN 15804+A2 werden die Umweltwirkungen von Bauprodukten mit über 20 Indikatoren bewertet. Als Kernindikator für die Umweltwirkungen in Bezug auf den Klimawandelt dient das globale Erwärmungspotenzial GWP (= global warming potential), welches den Emissionsbeitrag von Kohlenstoffdioxid, Methan oder Stickstoff zum Treibhauseffekt quantifiziert. Aufgrund des unterschiedlichen Wirkungspotenzials und der besseren Vergleichbarkeit werden stets CO2-Äquivalente in Form von "Kilogram CO2e" ausgewiesen.

Auf die Bewertung von Gebäuden zugeschnitten ist die DIN EN 15978:2012, die gerade überarbeitet wird. Die 15978 unterteilt den angenommenen 50-jährigen Lebenszyklus von Gebäuden in:

  • Produktphase (A1-A3)
  • Errichtungsphase (A4-A5)
  • Nutzungsphase (B1-B7)
  • End of Life (C1-C4)
  • Wiederverwendung bzw. separate Gutschriften und Lasten (D)

Bauen ist ein hochgradig lokaler Prozess, bei dem große Massen bewegt werden müssen. Entsprechend spielen Emissionen aus Transporten – insbesondere aus dem Transport zur Baustelle (A4) – eine wichtige Rolle für die Gebäudeökobilanz. Internationale Studien pauschalieren die Transportwege gemäß The Institution of Structural Engineers - How to calculate embodied carbon:  50 km lokal produziert, 300 km national produziert, 1.500 km in Europa produziert - jeweils multipliziert mit dem jeweiligen Emissionfaktor des Fahrzeugs

Wieviel kg CO2e ergeben sich konkret je m² und je nach Gebäudetyp? Die Zahlen dazu liefern folgende Embodied Carbon Studien:

1. DGNB

Im Rahmen der statistischen Auswertung von 50 DGNB ökobilanzierten Gebäuden (46 Bürogebäude und 4 Wohngebäude) ergeben sich Benchmarks für Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus. Der Mittelwert aller 50 DGNB Gebäude liegt bei 8,7 kg CO2e/m²a = 435 kg CO2e/m² über 50 Jahre Gebäude Lebenszyklus (A1-A3, B4+B6, C3+C4, D).  Betrachet man nur die 46 Bürogebäude ergibt sich ein Wert von 9,1 kg CO2e/m²a = 455 kg CO2e/m².

Achtung: Bei der Betrachtung der reinen Produktphase A1-A3 für 44 Gebäude ergibt sich bereits 7,3 kg CO2e/m²a = 365 kg CO2e/m² über 50 Jahre Gebäude Lebenszyklus

Die DGNB LCA Untersuchungsaspekte umfassten Nutzungsart, Anzahl der Geschosse, Bauweise, Beitrag von Bauteilen und Evaluation des zeitlichen Verlaufs. Die TGA bzw. Kostengruppe 400 wurde pauschal mit 20 % Aufschlag und nicht detailliert berücksichtigt. Transporte wurden nicht berücksichtigt.

Eine wissenschaftliche LCA Studie aus 2019 der älteren DGNB Ökobilanz Daten ergab, dass nur 22 von 700 Gebäudeökobilanzen brauchbar sind.

2. LETI - Studien am besten in folgender Reihenfolge

LETI ist ein Netzwerk von über 1.000 Fachleuten für die gebaute Welt, die gemeinsam daran arbeiten, das Vereinigte Königreich in eine klimaneutrale Zukunft zu bringen. Ursprünglich wurde die "London Energy Transformation Initiative" im Jahr 2017 gegründet, um die Dekarbonisierung in London zu unterstützen. Seitdem hat sich die LETI als Community Interest Company gegründet und ihren Namen in "Low Energy Transformation Initiative" geändert,

Als Baseline für Bürogebäude gilt 1.000 kg CO2e/m² (A1-A5)

Achtung bei UK Embodied Carbon Studien: 1. Die Flächenermittlung findet via IPMS 2 / Gross Internal Area statt, nicht BGF! 2. Der Gebäude Lebenszyklus wird mit 60 Jahren angesetzt, wodurch die Referenzwerte gesamt betrachtet höher als in Deutschland sind. Daher empfiehlt sich zum direkten Vergleich der Wert kg CO2e/m²a

Eine weitere Besonderheit ergibt sich für die Bilanzierung von nachhaltig erwirtschaftetem Holz. Dieses wird in der Gebäudeökobilanz bei der Betrachtung der Lebenszyklus Phasen A bis C als gebundener Kohlenstoff (sequestered carbon bzw. carbon uptake) angesetzt. Damit findet in UK (RICS, LETI, Institution of Structural Engineers) eine Unterscheidung zwischen biogenem und nicht biogenem Kohlenstoff in Produkten gemäß der EN 15804 statt:

Gemäß den LETI Studien verteilen sich die durchschnittlichen Embodied Carbon Werte bei Bürogebäuden zu 48 % auf Decken und Stützen, zu 17 % auf Fundamente, zu 16 % auf die Gebäudehülle und 15 % auf die TGA. Bei Wohngebäuden nimmt die TGA eine geringere Rolle von nur 4 % der verbauten Emissionen ein.

3. Ramboll / Martin Röck et al.

Die Autoren der Studie haben ein Datenset von 769 Gebäudeökobilanzen aus 5 europäischen Ländern untersucht. Als Ergebnis ergibt sich die Kernaussage: Bei einem neu errichteten 1.000 m² großen Gebäude werden über den gesamten Lebenszyklus von 50 Jahren durchschnittlich etwa 600 Tonnen CO2e emittiert = 600 kg CO2e/m²

Achtung: Bei Betrachtung der reinen Produktphase A1-A5 ergeben sich bereits rund 400 kg CO2e/m²

4. ARUP & WBCSD

ARUP hat gemeinsam mit dem World Business Council For Sustainable Development zwei LCA Studien vorlegt. Die erste Studie aus dem Jahr 2021 dient als Einführung in die generelle Aufteilung von Treibhausgasemissionen im Immobilien Lebenszyklus und der Status-Quo Bestimmung im internationalen Kontext (Whole Life Carbon):

Hinzu kommen in der der ersten Studie bereits 6 internationale Embodied Carbon Case Studies: Bürogeböude in London, elektrifiziertes Bürogebäude in London, transformiertes Bürogebäude in London, Renoviertes Bürogebäude in London, Mixed-use in Dänemark, Holz Wohnturm in Amsterdam. Als Ergebnis ergeben sich folgende Werte:

  • 32 % A1-A5
  • 19 % B1-B5 und C
  • 49 % B6-B7 (operative Emissionen mit länderspezifischen Energiefaktoren)

Die zweite Studie aus dem Jahr 2023 geht eine Ebene tiefer und zielt auf Dekarbonisierungsstrategien für alle Akteure entlang der Baustoff- über die Bauteil bis zur Bauwerksebene. Auch die TGA bekommt ein eigenes Kapital zu grauen Emissionen, worin die Bedeutung der Rohrdämmung mit über 30 % CO2e Anteil und Luftleitungen/Montagesysteme mit 20 % CO2e Anteil (jeweils an TGA für A1-A5) bei den dargestellten sechs Gebäuden deutlich wird.

Zur Bedeutung von Materialien aus der Technischen Gebäudeausrüstung für die Embodied Carbon Werte existieren bislang kaum Studien, da verlässliche Aussagen nur mit LCA BIM Modellen möglich sind. Für wissenschaftliche Studien vgl. Theissen et al. 2020, Hoxha et al. 2021, Theissen et al. 2022

5. OneClickLCA

Auf Basis von 3.737 europäischen Gebäuden hat die Ökobilanz Software für die Phasen A1-A4, B4-B5, C1-C4 folgende Werte für den 50 Jahre Gebäude Lebenszyklus errechnet:

Weitere Embodied Carbon / Embedded Carbon Informationen und Veranstaltungen bei BUILTWORLD: