Mehr als 300.000 Adressen in Deutschland sind Stand 2024 von Hochwasser bedroht, vor allem Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft fordert deshalb einen Neubaustopp in gefährdeten Gebieten.
Der schnell voranschreitende Klimawandel ist ein von menschlichem Handeln verursachter Prozess, der konkrete Umwelt- und Klimaveränderungen zur Folge hat. Extremwetterereignisse werden mit verschärftem Klimawandel noch häufiger auftreten, so der Weltklimarat IPCC in seinem neuesten Bericht
Die physischen Klimarisiken können entweder ereignisbestimmt (akute Risiken) oder langfristig (chronische Risiken) bestimmt sein. Ein Klimarisiko bezeichnet das Potenzial für nachteilige Folgen für menschengemachte oder natürliche Systeme, unter Berücksichtigung der Vielfalt der Werte und Ziele, die mit solchen Systemen verbunden sind.
Zu den akuten Klimarisiken im Gebäudesektor und Infrastruktursektor zählen u.a.:
- Temperatur: Hitzewelle, Kältewelle, Brände
- Wind: Stürme (einschließlich Schneestürme, Staub- und Sandstürmen)
- Wasser: Dürre, Starker Niederschlag (Regen, Hagel, Schnee), Hochwasser an Küsten oder Flüssen, Gletscherseeausbruch
- Gravitative Massenbewegungen: Lawinen, Erdrutsch, Bodenabsenkungen
Zu den chronischen Klimarisiken zählen u.a.:
- Temperatur: Veränderung der Temperatur von Luft, Süßwasser oder Meereswasser, Hitzebelastungen, Temperaturschwankungen, Auftauen des Permafrosts
- Wind: Veränderung der Windverhältnisse
- Wasser: Veränderung der Niederschlagsmuster und -arten, Versauerung der Meere, Salzwasserintrusion, Anstieg des Meeresspiegels, Wasserknappheit
- Gravitative Massenbewegungen: Küstenerosion, Verschlechterung der Bodenqualität, Bodenerosion
Im Auftrag der Bundesregierung und im Kontext der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel wurden mit der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 (KWRA 2021) zum zweiten Mal die mit dem Klimawandel verbundenen zukünftigen Risiken für Deutschland untersucht. Für die KWRA 2021 wurde ein angepasstes Klimarisiko-Konzept nach den den sogenannten „Representative Concentration Pathways" und „Shared Socioeconomic Pathways" gemäß IPCC Sachstandsbericht 5 angewandt, die 29 größten Klimarisiken identifiziert und für den Zeitraum Mitte des Jahrhunderts auf Klimaanpassung geprüft.
Die Quantifizierung anhand von Schadenskategorien und Schadenskurven ist oft nur eingeschränkt aussagekräftig, da reine Schadenssummen im Gebäudesektor nicht Nutzungseinschränkungen, Mietreduzierungen und weitere Folgewirkungen berücksichtigen. Global beziffert Munich RE die Schadenswerte im Jahr 2022 auf 270 Milliarden US Dollar.
In einem Forderungskatalog zur Klimafolgenanpassung sprechen sich die Versicherer unter anderem aus für:
- Gesetzliches Verbot der Bebauung von §76 WHG Flächen (vorläufig gesicherte, amtlich festgesetzte Überschwemmungsgebiete)
- Sanktionierung der Hochwasserschutz-Gebotsnorm §5 II WHG (Verpflichtung zum individuellen Hochwasserschutz)
- Aufnahme des Schutzzieles „Klimafolgenanpassung / Extremwetterschutz“ in der Musterbauordnung (§3 MBO mit ergänzendem §13a MBO)
- Einführung eines Naturgefahrenausweises für Gebäude
- Einführung einer verpflichtenden Gefährdungsbeurteilung für Bauwerke in Bezug auf Klimafolgen und Extremwetterereignisse (§66 MBO neu)
- Deutschlandweit einheitlich Modellierung und Kartierung von Naturgefahren und Gefahrengbieten („Naturgefahrenrisikomanagementrichtline“)
- Aktive Informationen von GebäudeeigentümerInnen zu Gefährdungssituation bei bestimmten Anlässen wie Grundsteuerbescheid
Die ISO 14090 ist als übergreifende Norm für das generelle Management der Anpassung an den Klimawandel angelegt. Sie wurde parallel auch als europäische und nationale Norm übernommen.
Unternehmen, die für bestimmte Wirtschaftstätigkeiten Taxonomiekonformität gemäß der EU-Taxonomieverordnung erreichen wollen, müssen sicherstellen, dass diese Wirtschaftstätigkeiten auch mehrere „Do No Signifikant Harm“ (DNSH) Anforderungen erfüllen. Zu diesen DNSH-Anforderungen gehört die Anpassung an den Klimawandel. Die rechtlichen Vorgaben sind in Anhang 1, Anlage A der Delegierten Verordnung 2021/2139 definiert. Dort wird vorgegeben, dass eine robuste Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung für > 50 Jahre vorgelegt wird. Auch um Taxonomiekonformität hinsichtlich wesentlicher Beiträge zu Klimaanpassung zu erreichen, ist eine Klimarisikoanalyse erforderlich.
Für die Erstellung einer rechtskonformen Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung hat das Umweltbundesamt Empfehlungen zur Verfügung gestellt: How to perform a robust climate risk and vulnerability assessment for EU Taxonomy reporting? Recommendations for companies
Während die Klimaszenarien des IPCC als Standardreferenz für physische Risiken gelten, erweist sich das Bild für Transitionsrisiken als diffizil aufgrund unterschiedlicher Szenarien für wirtschaftliche und energetische Transitionspfade.
Zu den transitorischen Risiken im Gebäude- und Infrastruktursektor zählen u.a.:
- Zunehmende Regulierung und politischer Druck
- Kosten der indirekten Emissionen
- Verschiebung der Marktpräferenzen
- Veränderung von Investoren Sentiments
- Reputationsrisiko
Die Fragestellungen hinsichtlich transitorischer Risiken für Finanzmarkt Teilnehmer (Banken, Versicherungen, Investoren...) sind daher umfassend und bedeuten vor allem:
1. Informationssammlung
- Gibt es neue staatliche Standards (zur Energieeffizienz, Whole Life Carbon Grenzen, zur Nutzung fossiler Brennstoffe, Umweltverschmutzung/Abfall Richtlinien, etc. ), die sich auf Real Assets in unserem Portfolio auswirken?
- Wie schnell schreitet die Dekarbonisierung in unserem Portfolio voran (CRREM Pfade v2)? Wie sehen Energiekosten, -nachfrage und -effizienz in unserem Portfolio aus?
- Was haben unsere Kunden in ihren Finanz-, Nachhaltigkeits- und Klimaberichten über ihre transitorischen Risiken offengelegt?
- Wie viele unserer Kunden haben Übergangspläne? Berücksichtigen sie in diesen Plänen auch Überlegungen zu transitorischen Risiken?
- Verfügen wir über Emissionsdaten für unsere Kunden? Verfügen wir auch über Daten zu weiteren Treibhausgasen, wie Stickstoff oder F-Gasen?
2. Risikobewertung
- Haben wir Übergangsszenarien geprüft, um zu sehen, wie sich diese Risiken im Laufe der Zeit entwickeln werden? Haben wir kurzfristige, mittelfristige und langfristige Risiken berücksichtigt?
- Wie sieht unser Engagement in risikoreicheren Anlagenklassen aus? Wie lauten die Bedingungen für unserer finanziellen Beziehungen (z. B. Debt/Equity, Laufzeit)?
- Wie verhalten sich Emissionsintensität, Energiebedarf und Energiekosten unserer Kunden Assets im Vergleich zu Branchen- und regionalen Durchschnittswerten?
- Wie viel investieren Kunden in energetische Sanierungen?
- Welche Investitionen haben unsere Kunden in die Energieerzeugung vor Ort getätigt?
- Welche künftigen Energiestandards gelten für welche Bestandsgebäude?
- Nach welchen Energiestandards müssen neue Gebäude gebaut werden?
3. Kontakt mit Kunden und Strategieanpassung
- Verstehen unsere Führungskräfte die transitorischen Risiken unserer Kunden?
- Wie unterstützen wir unsere Kunden beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft? Wie unterstützen wir ihre Bemühungen, einen gerechten Übergang voranzutreiben?
- Wie werden die identifizierten und bewerteten Übergangsrisiken unsere Strategie für Real Assets beeinflussen?
- Welche spezifischen Aktualisierungen der Risikomanagement-Praktiken oder Geschäftsaktivitäten werden erforderlich sein, um diese Transitionsrisiken bei unseren Tätigkeiten angemessen zu berücksichtigen?
Eine neue UN Publikation beleuchtet physische und transitorische Klimarisiken im Immobiliensektor anhand von internationalen Beispielen. Die UNEP Publikation richtet sich an Banken, Investoren, Versicherer und deren Kunden und vermittelt ein grundlegendes Verständnis der wichtigsten physischen und klimabedingten Risiken, denen der Immobiliensektor ausgesetzt ist.
UNEP FI 2023 Publikation: Climate Risks in the Real Estate Sector
TECHNOLOGIEN
Gemeinsam mit PwC stellen wir in der Tech for Impact Map internationale Lösungen zur Analyse von phyischen und transitorischen Klimarisiken (Neugründungen der letzten Dekade) vor, diese sind in alphabetischer Reihenfolge:
MSCI verwendet einen Climate-Value-at Risk Ansatz, der die CO2 Intensität in kg/m² abhängig vom Real Asset Typ und Standort auf ein Erwärmungspotenzial zuordnet. Angelehnt an IPCC Szenarien können Portfolien in einem globalen Benchmarking analysiert werden. Wie bei allen Lösungen am Markt, beziehen sich die Treibhausgasemissionen auf den Betrieb, nicht auf die Herstellung und Errichtung von Gebäuden und Infrastrukturprojekten.
Den physischen Klimarisiken widmeten wir uns bei Builtworld am 28. Juni gemeinsam mit Prof. Dr. Johann Stötter, Dr. Klaus Schneeberger & Dr. Maximilian Riede: Physische Klimarisiken für Immobilien analysieren & steuern
In einer Folgesession beleuchteten wir mit Prof. Dr. David Bresch und Dr. Christin Spindler die Technologien und konkreten Anwendungen: Klimarisiken für Immobilien - Technologien & Anpassungsmaßnahmen
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Kompaktkurs CRREM Tool: CO2-Risiken im Immobiliensektor richtig verstehen, bewerten und managen - Teil 214.05.2025, 10:00 - 12:00
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